Wir alle erleben im Leben immer wieder die „Qual der Wahl“. Sei es bei der Partnerwahl oder bei der Geldanlage. Heute möchte ich ein paar Parallelen betrachten, die mir aufgefallen sind. Ratgeberautoren und Coaches haben es sich zur Aufgabe gemacht, uns bei dieser Qual zu helfen oder eine wichtige Entscheidung nicht allein treffen zu müssen.
Die Qual der Wahl in der Liebe
Wir leben in einer globalisierten Welt. Das macht die „Qual der Wahl“ nicht einfacher. Früher waren unsere Entscheidungen vielleicht auf ein Dorfumfeld oder eine Kleinstadt beschränkt. Gefällt mir der schöne Bäckersohn Hans besser oder ist es die bezaubernde Dorothee aus der Schule, die bei mir romantische Gefühle auslöst? Irgendwann habe ich mich entschieden und mache meine Erfahrungen im Liebes- und Eheleben. Nicht alles verläuft ideal, aber wir machen das beste daraus. In der heutigen Welt sind wir ein globales Dorf. Auf Tinder, Bumble, C-Date… gibt es unzählige Möglichkeiten. Eine Entscheidung zu treffen erscheint fast unmöglich. Und wenn ich mich für einen Menschen entscheide, schwingt immer die Angst mit, daß der nächste Wisch nach rechts der bessere gewesen wäre. Entsprechend erscheint es schwieriger, sich einzulassen und herausfordernde Phasen gemeinsam durchzustehen. In der Welt der unbegrenzten Möglichkeiten ist der Konjunktiv 2 omnipräsent: „Ach hätte ich doch eine andere Wahl getroffen“. Neudeutsch nennt sich das FOMO („the Fear Of Missing Out“), also die Angst etwas zu verpassen. Das führt oft zu einem immer unsteteren Beziehungsverhalten. Anstrengende Episoden in Beziehungen führen schneller als früher zu Trennungen, denn der nächste Mensch ist bestimmt der oder die Richtigere. So leben viele Menschen in unsteten Beziehungen, die sich eigentlich nichts sehnlicher Wünschen als einen sicheren, verlässlichen Hafen, auf den sie sich vertrauensvoll einlassen können.
Die Qual der Wahl beim Geld
Ähnliche Effekte beobachte ich in den 25 Jahren als Investmentberater in zunehmender Weise beim Geld. Die Informationsflut ist schier unendlich. Die Möglichkeiten, Geld zu investieren sind unüberschaubar. Es gibt Modethemen wie Zertifikate, Edelholz oder auch das recht aktuelle Thema Krypto. Auch hier kommt FOMO ins Spiel. Der Nachbar erzählt von seinen großen Kryptoerfolgen. Da wollen wir natürlich auch dabei sein. Gleichzeitig beschleicht uns die Angst, dass es im nächsten Investmentblog einen noch heißeren Anlagetipp gibt. Und schließlich haben wir ja noch den Wunsch von der Traumimmobilie im Hinterkopf, der eng mit dem obigen Wunsch nach dem sicheren Hafen in der Liebe korreliert. In meiner Erfahrung passiert es immer öfter, dass Menschen große Cashbeträge einfach auf dem Girokonto herumliegen lassen, denn erstens wäre die Entscheidung für das eine oder andere Investment zu viel „Qual der Wahl“ und zweitens behalte ich das Cash doch lieber, um demnächst wahrscheinlich eine Immobilie zu kaufen. Der Spannungsbogen zwischen „Fomo“ und Wunsch nach dem „sicheren Hafen“ erzeugt für viele eine lähmende Ambivalenz. Bevor ich einen Fehler mache, mache ich doch lieber gar nichts. Und so staut sich das Cash immer umfangreicher auf dem Girokonto auf und die Kaufkraft schmilzt dort in der gleißenden Sonne der Inflation.
Sein und Schein in der Geldanlage
Findige Anbieter versprechen den Menschen den Reichtum „über Nacht“. Wir leben in einer Kultur der „instant gratification“, der sofortigen Wunscherfüllung. Es ist aus der Mode gekommen, mit langem, geduldigem Atem zu investieren. Viele Menschen erliegen dem Versprechen, mit wenig Aufwand und angeblich „todsicher“ schnell reicht zu werden. Dass es den Naturgesetzen des Kapitalmarktes widerspricht, ohne Risiko hohe Renditen zu erzielen, wird im Glanz der perfekten Präsentation gerne ausgeblendet. Das toll inszenierte „Heilsversprechen“ lässt alle gesunde Skepsis vergessen. Spätestens wenn das Geld in der gefährlichen Spekulation, die man da verblendet gezeichnet hat, verloren ist, stellt sich der Kater ein und wenn wir dann ehrlich zu uns sind, ist die eindeutige Antwort: „Ich hätte es eigentlich besser wissen müssen“.
Ungesunde Illusionen in der Liebe
Auch in der Liebe laufen wir Gefahr, uns auf ungesunde Beziehungen einzulassen, wenn wir besonders bedürftig sind. Wir wünschen uns alle Beziehung und Geborgenheit. Manchmal lassen wir uns dann auf Menschen ein, die uns nicht gut tun, die unsere Bedürftigkeit ausnutzen. Es gibt inzwischen unzählige Bücher über toxische Beziehung, coabhängige Partnerschaften und Narzissmus. Manchmal müssen wir erst am Boden zerstört sein und unschöne Enttäuschungen erlebt haben, bevor wir unsere Lektion gelernt haben, d.h. ent-täuscht, von der Täuschung befreit wurden. Manche Menschen fühlen sich dabei so verletzt, dass sie sich schwertun, sich erneut auf Beziehungen einzulassen.
Das soziale Netz gibt Sicherheit
Dabei ist es so wichtig, sich ein soziales Netzwerk von wohlmeinenden Freunden aufzubauen und bewusst in Kontakt zu bleiben. Es ist eben nicht die EINE romantische Beziehung, die uns glücklich macht, „the one and only forever“, der oder die alle unsere Bedürfnisse befriedigt und und somit alle Verwantwortung für unser eigenes Glück abnimmt. Vielmehr ist es unsere eigene Verantwortung, uns aktiv um unsere Bedürfnisse nach menschlicher Beziehung zu bemühen und dabei möglichst viele Freunde zu haben, die uns gut tun und denen wir gut tun. Auch ein intaktes familäres Umfeld hilft dabei. Wenn wir dann auch mal eine Enttäuschung erleben, fallen wir nicht ins Leere, sondern können uns auf ein verständnisvolles Ohr von Freunden und Familie verlassen. Wenn wir uns aktiv um Freunde und Familie kümmern und so unser soziales Netz pflegen, können wir kaum mehr einen Fehler machen. Und wenn doch – dann fallen wir weich.
Diversifikation in der Geldanlage ist Trumpf – und so einfach
Was in der Beziehungswelt viel Zeitaufwand und aktives Handeln erfordert, ist in der Geldanlage ganz einfach. So gesehen gibt es doch einen Unterschied. Es ist heute sehr einfach und kostengünstig, sein Geld rund um den Globus in über 8000 Firmen zu streuen. Enttäuscht uns eine Firma, so ist das kaum spürbar. Insofern ist sicheres Investieren viel einfacher als sich mit gutem Gefühl auf Menschen einzulassen.
Trotzdem ist es wichtig, auch bei der Geldanlage zu wissen, was zu uns passt und mehr oder weniger Schwankungen zuzulassen. Der eine braucht Garantien, der andere nicht. Wir sollten uns nicht von Gier leiten lassen und zu viel Risiko eingehen, denn geht beispielsweise der Aktienmarkt einmal runter und wir haben unsere Risikotoleranz überschätzt, dann bekommen wir Angst und steigen womöglich zum ungünstigsten Zeitpunkt aus.
Kenne Dich selbst als Geldanleger – dann kannst Du keine Fehler machen
Meine Aufgabe als begleitender Berater ist es, Ihnen bei der realistischen Einschätzung ihrer Risikotoleranz zu helfen. Wieviel Schwankung vertragen Sie, wieviel Geld muss im sicheren Cash-Topf verbleiben, um ruhig zu schlafen unabhängig von der Entwicklung des langfristigen Topfes, der stärker schwanken darf. Wieviel Geld sollte mit etwas mehr Rendite als Cash mittelfristig investiert werden, auf Sicht von fünf bis zehn Jahren aber mit ziemlicher Sicherheit gute Ergebnisse abliefern. Um solche Fragen drehen sich gute Gespräche zum Thema Geld und Investment. Das ist eine Art „Geldtherapie“, d.h. die ehrliche Reflektion, wie wir uns mit Geldanlage fühlen und was wir brauchen. Wer sich hier richtig einschätzt, der kann langfristig schwerlich Fehler machen. Und wer keine Angst vor Fehlern hat, der kann sich vertrauensvoll einlassen, sein Geld sinnvoll und breit gestreut investieren und sich entspannt zurücklehnen. Im Idealfall können wir dann das Wechselspiel an den Märkten sogar mit Freude und Neugier beobachten, mit der Gewissheit, dass es langfristig in die richtige Richtung geht – mit einer ansehnlichen Rendite nach oben!
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